Rede wenig. Über StilleWas soll man sagen – wo doch alles so still ist? Wie viele Worte setzen – angesichts eines Systems, das von Ruhe dominiert wird? Wie etwas detailliert analysieren, das durch monolithische Kohärenz wirkt? Die Plastiken von Michael Cleff beeindrucken seit Jahren durch ihre konzentrierte Kraft, die sie aus ihrer Schlichtheit beziehen, aus ihrer Geschlossenheit und aus der Stringenz, mit der Cleff seine Konzeption verfolgt und immer weiter vorantreibt, diese dabei studierend, daraus neue Schlüsse ziehend und weiterführende Erkenntnisse gewinnend. Wenige formale Bestandteile werden mit Bedacht variiert und in immer neue Beziehungen gebracht. Cleffs minimalistisches Konzept fußt dabei auf wiederkehrenden geometrischen Grundformen – Kreis, Quadrat, Rechteck, Ellipse – und einer reduzierten, monochromen Farbgebung. Es ist, als habe er sich für bestimmte Töne oder eine gewisse Anzahl von Silben entschieden, aus deren unterschiedlicher Kombination er nun immer neue Tonfolgen fügt oder Verszeilen baut. Insbesondere wenn man mehrere von Cleffs Arbeiten zugleich betrachten kann, hat dies ein meditatives Gleichmaß; das ruhige Gleichmaß dessen, der die Phänomene durch die immer neue Deklination des Beobachteten zu begreifen sucht. Am augenfälligsten ist angesichts seiner Quader oder mehrgeschossigen Rotunden die Parallele zur Architektur. Und das nicht nur, weil die gebauten tönernen Formen schließlich hart wie Klinker gebrannt sind. Es sind vielmehr Themen wie das Verhältnis von Grundriss und Volumen, von Senkrechten und Waagerechten zueinander, es ist die Frage der Rhythmisierung der Flächen durch einzelne Elemente, wie sich das Innen und Außen verschränken, was der Bildhauer aufgreift und was mit den klassischen architektonischen Aufgaben zusammenfällt. Eines der eigenartigsten Merkmale dieser gebäudeartigen Kleinplastiken ist gewiss deren monumentale Ausstrahlung. Dass sie nach oben zu stets deutlich über ihre Basis hinauskragen und sich die abschließenden, deckenartigen Flächen nach oben wölben, gibt den Formen zusätzlich Dynamik und innere Spannung. Sie wirken wie gewaltige freistehende Wohntürme, Wasserspeicher oder Hallenbauten, wie Versammlungsorte für Menschenmengen, die dort etwa gemeinsam schweigen oder einer Musik lauschen, scheinen kultureller, wenn nicht ritueller Handlung vorbehalten, sie sind futuristisch und archaisch zugleich. Die hohen Fassaden haben wenige, kleine Öffnungen, exakte Einschnitte, die schwarz gegen die weißen Flächen abgesetzt sind. Cleff betont so dieses gestalterische Element und verstärkt gleichzeitig die geheimnisvolle Aura des innen liegenden, nicht wirklich einsehbaren Raumes, indem das Licht schon an der Eintrittsschwelle absorbiert wird. Die fensterartigen Luken sind zudem weit oben an den Plastiken angebracht, was deren Monumentalität steigert und ihren kontemplativen, geheimnisvollen Charakter unterstreicht. Man selbst setzt sich alsbald in Relation zu den steil aufragenden Wänden und empfindet sich merkwürdigerweise als winzig klein gegenüber den turmartigen Gebilden und den sich nach oben zu ausweitenden Containern, die man im Geiste beginnt, zu umrunden und die vor allem eines um sich herum verbreiten: eine tonlose Stille. Damit haben die hohen, weiß leuchtenden Körper eine surreale Ausstrahlung, sie sind bezwingend, wie die menschenleeren, gleißenden Stadtlandschaften, die etwa der Italiener Giorgio de Chirico malte. Auffällig bei Cleffs Sockel- und Wandarbeiten ist auch, dass er stets mit dem Prinzip der Dualität arbeitet, stets sind es zwei Dinge, die stellvertretend für gegensätzliche Systeme stehen und die er in den Stücken gegenüberstellt bzw. zueinander ins Verhältnis setzt: runde und eckige Formen, waagerechte und senkrechte Elemente, Linien und Flächen, hell und dunkel, schwarz und weiß, rauh und glatt, matt und glänzend, und schließlich sind es in den allermeisten Fällen zwei Raumteile, die er miteinander verbindet. Zunächst geschah dies in Form von in der Höhe zweigeteilten Hohlkörpern, was wie zwei Geschosse (Stockwerke) oder wie ein Gebäude mit einem Aufsatz wirkte. Nun jedoch zeigt Cleff eine Serie mit dem Titel »Über Addition« und verbindet die beiden Elemente horizontal miteinander, was den Eindruck eines Anbaus weckt. Zumeist ist dabei zweifelsfrei die Hauptform als die Ausgangssituation für den „Ergänzungsbau“ auszumachen: Diese ist deutlich höher und weist die typischen fensterartigen Öffnungen auf. Dabei ergänzt wiederum ein eckiger Kasten eine runde Form, ein sich aufblähender organischer Auswuchs hingegen entspringt der Seite eines rechteckigen Raumkörpers, eine Quaderform wird einem Halbrund angebaut. Dazu kommt, dass die Flächenstruktur der addierten Teile deutlich unruhiger und bewegter ist als die geglätteten Wände der Hauptvolumen. Cleff behandelt seine Stücke mit Pigmenten und Engoben, die er der Keramik einbrennt. Er erzielt so eine matte, stark kontrastierende Farbigkeit und betont die Oberflächenbeschaffenheit und deren leise durchrhythmisierte Texturen. Die waagerechten Flächen, die die Volumen wie ein flaches Gewölbe abschließen, sind hingegen gelegentlich von seidiger Glätte, die dadurch erreicht wird, dass Cleff das durch den Brand gehärtete Material abschleift. Dies verstärkt beim Betrachter den Impuls, die Dinge zu berühren und deren haptische Qualitäten mit den Fingerspitzen zu erkunden. Wie auch die strukturierten Engobeflächen geben die geschliffenen Elemente etwas preis, was eigentlich für das Auge nicht sichtbar wäre. Ist es dort der Rhythmus und Duktus der formenden Hand, ist es hier die Struktur und Farbe des verwendeten Materials. Dass sich dabei eventuell zwei unterschiedliche Farben zeigen liegt daran, dass hier sowohl die stützende Verstegung als auch die aufgelegte Decke sichtbar werden. So, wie ein Winkel niemals exakt rechtwinklig ist, so verlaufen die stürzenden Kanten der Wände bei Cleff niemals schnurgerade: Wie die Oberflächen leise pulsieren, mäandern die aufstrebenden und abschließenden Linien leise, ziehen sich ein und buckeln wieder ein wenig nach außen, jedoch nie soviel, dass sie die Spannung verlören. Die frei arbeitende Hand des Bildhauers entscheidet hier intuitiv über die Balance zwischen einer an Exaktheit orientierten Objektivität und dem notwendigen Maß an subjektiver Gestaltungsfreiheit. So lassen – auf unvermutete Weise – die zunächst hermetisch wirkenden Raumkörper dennoch Einblicke zu, geben Informationen über sich, kommunizieren mit dem Betrachter, und es entspinnt sich ein stiller, vielleicht zunächst überraschender Dialog über die Determination von Räumen, der Verhältnisse von Körpern und gebauten Volumen und über unsere ureigenen Bedürfnisse und Anliegen diesbezüglich. In einer neuen, vielteiligen Wandarbeit »Himmel« führt Michael Cleff fort, was er 1999 in vergleichbarer Form begann und findet doch eine ganze neue Variation dafür: Dreidimensionale, weiße Elemente werden von schwarzen Linien, dünn wie Fäden und eigenwillige Verläufe nehmend, durchzogen. Diese verbinden, ähnlich einer Vernähung, kleine dunkle Löchlein miteinander, die den Innenraum eröffnen. Darüber hinaus ist es diese Linie, die die einzelnen Wandstücke über ihre Abstände voneinander hinweg – verbindet. Was passiert nun in diesen Innen- und Zwischenräumen? Wohin führt der Faden? Worauf fällt das Licht? Was passiert dort drinnen, dahinter? Was verbindet die Linie tatsächlich? Nicht von ungefähr trägt eine vielteilige Serie (von 2001/2002) den Titel »Über Innen und Außen«. Was geschieht zwischen Innen und Außen? Was teilt uns das Äußere über das Innere mit? Wo befinden wir uns, womit befassen wir uns, wenn wir das Außen betrachten? Nicht vielmehr mit dem Inneren? Mit dem Gebäude selbst oder mit dem Zweck desselben? Und noch einmal variiert er dieses Thema: In der Serie »Über Grundrisse« hebt er quasi die Decke von seinen Hohlräumen und gewährt überraschend den ungehinderten Blick in deren Inneres, in dem sich mehrere Kammern befinden. Die Wände dieser Abteilungen – teils schwarz, teils weiß – ziehen sich ganz in die Höhe, bis zum oberen Abschluss dieser gefäßartigen Behälter, wenngleich sie auch nicht alle auf genau gleichem Niveau enden. – Wer wohnt hier? Was wird hier gelagert, aufbewahrt, wer oder was voneinander geschieden in engster Nachbarschaft, lapidar und schmucklos und: warum? Ideen? Menschen? Flüssige Stoffe? Pläne? Leidenschaften? Würde ein Ruf laut schallen, riefe man in einer dieser Kammern hoch, zum offenen Himmel? Cleffs Sprache ist karg, aber nie kalt. Sein Formenkanon streng, aber nicht dogmatisch. Was ihn interessiert, ist die Reduktion der Phänomene zugunsten einer befriedigenden Wahrnehmung; der eigenen Stimme, der eigenen Reaktionen und schließlich der eigenen Erkenntnis. Was er zuwege bringt, ist die Entdeckung, der Entwurf und die Begehbarkeit unserer eigenen inneren Räume. Inmitten einer tosenden Informations- und Ereignisflut baut und eröffnet er Rückzugsräume der Phantasie, Refugien für Gedanken, Oasen der Stille und Stätten der Begegnung mit dem eigenen Suchen und Erleben. Gabi Dewald |
Don´t say much. On SilenceWhat am I supposed to say – when everything is so still? How can I be expected to use many words – when faced with a system so totally dominated by calm? How am I supposed to analyze something in detail whose entire existence is based on its monolithic coherence? Gabi Dewald |